Deutscher Bundestag - Haushaltsfinanzierung: Ökonomen stützen Ampel-Kurs bei Agrardiesel (2024)

Der Finanzausschuss hat sich am Montag, 15. Januar, in einer öffentlichen Anhörung mit dem Entwurf des Zweiten Haushaltsfinanzierungsgesetzes 2024 (20/9999) befasst. Federführend für den Gesetzentwurf ist der Haushaltsausschuss; der mitberatende Finanzausschuss beschäftigte sich aber mit den steuerlichen Aspekten. In der Anhörung ging es folglich zum einen um die Erhöhung der Luftverkehrsteuer gehen. Zum anderen haben sich die Abgeordneten Expertenrat zur geplanten Abschaffung der Diesel-Subvention für Betriebe der Land- und Forstwirtschaft einholen.

Abbau der Subventionierung von Agrardiesel

Bei der Anhörung zum Abbau der Subventionierung von Agrardiesel haben Ökonomen einhellig den Kurs der Ampel-Koalition befürwortet. Kritisch äußerten sich der Vertreter des Bauernverbandes sowie der Betriebswirtschaftsprofessor und ehemalige niedersächsische Staatssekretär Ludwig Theuvsen (CDU). Von der Änderung der Luftverkehrsabgabe erwarten die Experten kaum eine klimapolitische Lenkungswirkung.

Alfons Balmann, Professor am Leibnitz-Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien, erklärte, dass die Streichung der Diesel-Subvention für Landwirte diese nicht in „existenzielle Schwierigkeiten“ bringen dürfte. Er sagte ferner, dass bisher von der Subvention besonders große Betriebe profitierten. Durchschnittlich betrage die Diesel-Vergünstigung rechnerisch 28 Euro pro Hektar, bei Betrieben mit einer Größe von mehr als 100 Hektar liege der Betrag bei 35 Euro.

Bernhard Brümmer, Professor für Landwirtschaftliche Marktlehre an der Universität Göttingen, lobte, dass das Ende der Subvention nun nicht abrupt und kurzfristig erfolgen solle, sondern über einen Zeitraum von mehreren Jahren. Aus Sicht des Karlsruher Ökonomie-Professors Berthold Wigger sprechen „umweltökonomische, ordnungspolitische und verteilungsökonomische Gründe“ gegen das Diesel-Privileg der Landwirte. Er verwies unter anderem darauf, dass die Landwirtschaft weder Teil der europäischen noch der nationalen CO2-Bepreisung sei.

Friedrich Heinemann, Wissenschaftler am ZEW - Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim, wies das Argument zurück, dass höhere Preise für Treibstoff nicht dazu führten, dass der Verbrauch gesenkt werde. Die Nachfrager könnten auch hier sehr wohl preiselastisch reagieren. „Sogar Landwirtschaftsverbände haben seitenweise Vorschläge, wie man Diesel spart“, sagte Heinemann, der dies in seiner schriftlichen Stellungnahme weiter ausführt. Wie andere Ökonomen, so verwies auch Heinemann darauf, dass Subventionen in der Landwirtschaft auch dazu führten, dass die Pachtpreise stiegen. „Wer das bestreitet, der kennt die empirische Forschung nicht“, machte Heinemann deutlich.

Hohe Preise und steigende Kosten in der Landwirtschaft

Zuvor hatte dies der Vertreter des Deutschen Bauernverbandes bestritten. Angesichts des wachsenden Flächenverbrauchs in Deutschland, auch jenseits der Landwirtschaft, sei nicht zu erwarten, dass die Preise für Flächen sänken. Er verwies auch darauf, dass vor allem in der Veredelungsindustrie mit sehr hohen Dieselverbräuchen pro Hektar zu rechnen sei, etwa in der Milchindustrie bis zu 600 Liter. Dem Bauernverband zufolge hat die Bundesregierung den Bauern bereits „900 Millionen Euro weggenommen“. Dass die Bauern zuletzt gut verdient hätten, liege daran, dass die hohen Kosten für Düngemittel und andere Inputfaktoren infolge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine in diesen Jahren noch nicht zu Buche schlügen.

Aus Sicht des Bauernverbandes ist es in der Landwirtschaft nicht möglich, auf E-Mobilität zu wechseln. Für den derzeit beurlaubten Professor für Betriebswirtschaftslehre des Agribusiness an der Universität Göttingen, Ludwig Theuvsen, ist das Agrardiesel-Privileg der Bauern denn auch nur dann eine klimaschädliche Subvention, wenn es Alternativen zum Dieselantrieb gibt. Theuvsen verwies ferner darauf, dass die Motoren in Landmaschinen meist von Lkw-Herstellern kämen. Dort gebe es bereits aufgrund der hohen Dieselkosten in der Transportbranche einen sehr hohen Druck, effiziente und sparsame Motoren zu bauen. Der Betriebswirt warnte ferner davor, negative Anreize dafür zu setzen, dass junge Landwirte den elterlichen Betrieb übernehmen. „Landwirte gehen in andere Bereiche“, sagte er, Betriebe würden still gelegt.

Steuern in der Luftfahrt

Vor Verlagerungseffekten infolge der Sparmaßnahmen der Bundesregierung warnte mit Blick auf höhere Steuern in der Luftfahrt der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft. Es drohe eine Verlagerung von innereuropäischen Flügen an ausländische Standorte. Die Ampel-Koalition will laut ihrem Gesetzentwurf einerseits Steuersätze erhöhen, andererseits den im Luftverkehrssteuergesetz vorgesehenen Mechanismus zur Absenkung der Steuersätze ändern.

Eher gering sieht diese Gefahr Ökonom Professor Berthold Wigger, Karlsruher Institut für Technologie. Zwar bringen die Maßnahmen bei der Luftverkehrsteuer aus seiner Sicht „keinen nennenswerter Beitrag zum Klimaschutz“. Es seien aber auch keine starken negativen Effekte auf den deutschen Luftverkehr zu erwarten. Wigger erklärt weiter: „Die geplanten Änderungen des Energiesteuergesetzes und des Luftverkehrsteuergesetzes sind beide geeignet, zusätzliche Haushaltseinnahmen zu erzielen.“

Eine Reihe von weiteren Vorschlägen zum Abbau klimaschädlicher Subventionen machte das Forum Ökologische-Soziale Marktwirtschaft, etwa eine Erhöhung der Pauschalbesteuerung von Dienstwagen mit Verbrennungsmotor von ein auf zwei Prozent. Für tierische Produkte solle der normale anstelle des ermäßigten Steuersatzes gelten, zugleich sollte für mehr pflanzliche Produkte ein geringerer Satz gelten, schlägt der Verein vor. (bal/15.01.2024)

Zeit: Montag, 15. Januar 2024,13.30 Uhrbis15 Uhr
Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal E 300

Deutscher Bundestag - Haushaltsfinanzierung: Ökonomen stützen Ampel-Kurs bei Agrardiesel (2024)

FAQs

Wie funktioniert agrardiesel? ›

Eigentlich ist die für Agrardiesel gewährte Vergünstigung keine direkte Beihilfe. Hier macht der Staat kein Geld locker, sondern er verzichtet nur auf einen Teil der sehr hohen Steuern auf Diesel. Dazu müssen Bauern den Verbrauch an Dieselkraftstoff nachweisen und erhalten dann einen Teil der gezahlten Steuern zurück.

Wer sitzt im Finanzausschuss? ›

Sebastian Brehm, Carsten Brodesser, Fritz Güntzler, Olav Gutting, Matthias Hauer, Thomas de Maizière, Hans Michelbach (Obmann), Sepp Müller, Alexander Radwan, Johannes Steiniger, Christian Freiherr von Stetten, Hermann-Josef Tebroke, Dietlind Tiemann, Antje Tillmann (Sprecherin).

Was ist der Unterschied zwischen agrardiesel und Diesel? ›

Technisch gesehen gibt es zwischen herkömmlichem Diesel und Agrardiesel keinen Unterschied. Dieser ergibt sich lediglich aus der Rückerstattung der Mineralölsteuer, die Betriebe in der Land- und Forstwirtschaft erhalten. Gewährt wird diese vom zuständigen Hauptzollamt.

Ist Agrardiesel in Deutschland eingefärbt? ›

Im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern sind in Deutschland steuerbegünstigte Treibstoffe nicht eingefärbt.

Wie viele Ausschüsse gibt es in Deutschland? ›

Bis zu ihrer Konstituierung übernahm ein Hauptausschuss deren Aufgaben. Der 19. Deutsche Bundestag verfügte ebenfalls über 25 ständige Ausschüsse, wobei dabei der Wahlprüfungsausschuss mitgezählt wurde, der diese Legislaturperiode getrennt von den anderen Ausschüssen am 11. November 2021 eingesetzt wurde.

Welche Macht hat der Haushaltsausschuss? ›

Der Haushaltsausschuss des Bundestages berät über das jährliche Haushaltsverfahren. Des Weiteren kontrolliert er fortlaufend die Haushaltsführung der Bundesregierung und die Finanzhilfen im Rahmen der Eurostabilisierung.

Wie viele Mitglieder hat der Finanzausschuss? ›

Wer gehört dem Finanzausschuss an? Der Finanzausschuss besteht derzeit aus 27 Mitgliedern – 14 Demokraten und 13 Republikanern. Das Verhältnis von Mehrheits- zu Minderheitsmitgliedern im Ausschuss basiert auf dem Verhältnis von Mehrheits- zu Minderheitsmitgliedern im Senat.

Können Sie in Ihrem LKW Agrardiesel verwenden? ›

Jedes Fahrzeug, das in den Vereinigten Staaten für den Straßenverkehr zugelassen ist, muss Straßendiesel verwenden. Offroad-Diesel ist für alle Maschinen gedacht, die nicht auf der Straße gefahren werden, wie Traktoren, Baumaschinen und Generatoren. Es ist NICHT legal, Offroad-Diesel in ein Fahrzeug zu füllen, das auf der Straße fährt .

Welche Länder haben agrardiesel? ›

Internationaler Vergleich
LandSteuerhöhe AgrardieselPreis Agrardiesel inkl. Steuern
Italien13,6 Cent/Liter1,266 Euro/Liter
Spanien9,7 Cent/Liter1,248 Euro/Liter
Dänemark7,1 Cent/Liter1,288 Euro/Liter
Niederlande51,6 Cent/Liter1,740 Euro/Liter
4 more rows

Warum agrardiesel teurer? ›

Den Agrardieselpreis jagen zwei Faktoren nach oben. Zum einen fällt die anteilige Rückerstattungen bei der Gasölsteuer weg. Sie macht 21,48 Cent pro Liter bei er einer Gesamt-Gasölsteuer von 47,04 Cent pro Liter aus. Zum anderen steigt der CO2-Preis von Jahr zu Jahr an.

Wie viel Diesel verbraucht ein Landwirt? ›

Auf den Äckern und Feldern liegt der durchschnittliche Kraftstoffverbrauch zwischen 110 und 120 Liter Diesel pro Hektar. So entsteht in der Land- und Forstwirtschaft ein Verbrauch von etwa zwei Milliarden Liter Diesel pro Jahr in Deutschland.

Top Articles
Latest Posts
Article information

Author: Duncan Muller

Last Updated:

Views: 6176

Rating: 4.9 / 5 (59 voted)

Reviews: 82% of readers found this page helpful

Author information

Name: Duncan Muller

Birthday: 1997-01-13

Address: Apt. 505 914 Phillip Crossroad, O'Konborough, NV 62411

Phone: +8555305800947

Job: Construction Agent

Hobby: Shopping, Table tennis, Snowboarding, Rafting, Motor sports, Homebrewing, Taxidermy

Introduction: My name is Duncan Muller, I am a enchanting, good, gentle, modern, tasty, nice, elegant person who loves writing and wants to share my knowledge and understanding with you.